10. Ist ohne 5G keine Digitalisierung möglich?
Nein! Auch wenn die Wirtschaft die Bevölkerung glauben lässt, dass es ohne 5G keine Digitalisierung geben wird. Dass es trotzdem ohne sofortiges 5G geht, wird in den folgenden Nutzungsszenarien beschrieben.
Video Streaming
Der allergrösste Teil dieser Datenmenge dient der Unterhaltung und wird meistens in Innenräumen konsumiert. Hier sind Festnetzanschlüsse und WLAN die Regel. Mobiles Videostreaming auf dem Handy braucht eine relativ geringe Bildauflösung. Dafür genügt 4G-Mobilfunk.
Mobiler Datendownload
Für kleinere und mittlere Datenvolumen genügen meistens 3G und 4G. Falls nicht, weichen KundInnen sowieso auf schnelles, kostengünstiges WLAN aus. Wo wirklich grosse Datenvolumen zu übertragen sind, setzen Unternehmen kaum auf wenig datensichere und unzuverlässige Mobilfunknetze, zumal solche Datenmengen in der Regel ortsfest verarbeitet werden. Wo dafür kein Glasfasernetz vorhanden ist, setzt man wie bisher auf gesicherte Satellitenlinks.
Videoüberwachung (Smart City)
Für sogenannte Smart Cities sollen Kameras rund um die Uhr Realtime-Aufnahmen an Überwachungszentralen senden. Das bedingt in der Regel eine stabile Stromversorgung. Solche Kameras sind deshalb mit einem Internet-Kabel angeschlossen, das neben dem Datentransfer auch den Betriebsstrom liefert (PoE-Technik). 5G macht allenfalls nur für temporäre Einsätze Sinn.
Fahrerlose Fahrzeuge
Technisch sind fahrerlose Fahrzeuge möglich, die gänzlich ohne 5G funktionieren. Alle grossen Fahrzeughersteller unterhalten aber für neue Geschäftsmodelle Kooperationen mit Mobilfunkanbietern. Ob diese dabei auch künftig eine Rolle spielen werden, ist ungewiss. Autohersteller Tesla z.B. setzt auf ein eigenes Satellitennetzwerk ohne Antennenmasten. Neue Branchenstandards (z.B. ITS-G5) nutzen für Fahrzeuge nicht providerabhängiges 5G, sondern Kurzstrecken-Radar und WLAN-Vernetzung [13]. Die Eisenbahnen in Europa brauchen für ihre selbstfahrenden Züge kein 5G der kommerziellen Betreiber, da sie ihr eigenes 2G-Netz bis 2025 auf 5G umrüsten wollen [15]. Auch Blaulichtorganisationen wären schlecht beraten, wenn sie ihre eigenen autonomen Funksysteme (Polycom, Funkgeräte) aufgeben und sich in die Abhängigkeit kommerzieller Anbieter begeben würden.
Industrieautomatisierung
Industrieunternehmen sind in der Regel bestens mit Festnetzanschlüssen ausgerüstet und verlassen sich bei kritischen Produktionsprozessen bewusst nicht auf Mobilfunk, sondern auf Glasfaser. Wenn innerhalb des Betriebes mobile Kommunikation nötig ist, bevorzugen sie in der Regel WLAN oder Femtozellen der Mobilfunkbetreiber. In Umgebungen, wo Funk zu störanfällig ist, werden schnelle optische Kommunikationssysteme (OWC) eingesetzt.
Internet der Dinge (IoT)
Das Internet der Dinge (IoT) soll Geräte, Sensoren, Aktoren, Maschinen etc. ins globale Internet einbinden, kontrollieren und steuern. Dabei werden nur minimalste Datenmengen übertragen, wofür schon längere Zeit weltweit tätige Konsortien spezielle Funknetzwerke (z.B. LoRa WAN) betreiben [12]. Auf 5G hat hier kaum jemand gewartet.
Fernoperationen und Telemedizin
Kliniken und Spitäler sind stationär und verfügen zunehmend über sichere und schnelle Glasfaseranschlüsse und WLAN. Die Ausführung von medizinischen Operationen durch nicht vor Ort anwesende SpezialistInnen stellt sich wegen verschiedenen Herausforderungen gar nicht. Auch 5G hilft da wenig. In der Telemedizin werden hingegen heute schon Daten über Körperfunktionen mittels 3G/4G Mobilfunk oder WLAN an Kliniken und andere Stellen übertragen. Die anfallenden Datenmengen sind vergleichsweise gering und erfordern kein 5G.
Landwirtschaft
Das sogenannte Smartfarming scheint ein Lieblingsszenario der Branche für den Einsatz von 5G zu sein. Ferngesteuerte Traktoren, Melkmaschinen, Fütterungs- und Bewässerungsanlagen etc. sollen ohne Menschen arbeiten und die Daten Realtime ins Büro senden. Jedes Tier soll mittels Chip lokalisierbar sein und vom Tierarzt fernüberwacht werden. Nur: Innovative Landwirtschaftsbetriebe haben all das und noch mehr bereits realisiert – ohne 5G.
Breitbandversorgung ländlicher Gebiete und Bergregionen
5G soll schnelles Internet auch in Rand- und Bergregionen bringen. Dazu wären viele neue Antennenmasten erforderlich, zu denen Glasfaserkabel verlegt werden müssten. Diese Investitionen sind kaum wirtschaftlich. Ausserdem steht die Satellitenkommunikation (z.B. SkyDSL) auch in ländlichen Gebieten und in den Bergen schon lange kostengünstig zur Verfügung. Aus Kundensicht hat 5G auch bei diesem Szenario keine Dringlichkeit.